Traumhaftes Radfahren an Loire und in Loiret und Cher -Teil 1/2

Tolle Landschaft, immer wieder Überraschungen in Form verschiedenster Bauwerke, ruhige Fahrradwege, fantastisches Essen und nicht zuletzt wirklich viele, viele nette Leute!“ So lässt sich unsere Radrundtour an die Loire im Sommer 2022 zusammenfassen.

Nachdem wir vor sechs Jahren die wirklich ganz tolle Loire-Strecke zwischen Orléans und Nantes mit den ganz großen und berühmten Schlössern gefahren waren, reizte es uns jetzt noch mehr von der Loire zu sehen – das Stück zwischen Orléans und Nevers. Da es dort, anders als im Westen, keine einfachen (Rück-)Transportmöglichkeiten für Fahrräder mit der Bahn gibt, entschieden wir uns für einen Rundkurs, den man prinzipiell überall beginnen kann. Wir wählten für den Start den südöstlichsten Punkt: Nevers. Von dort aus folgte unsere Tour dem EuroVelo 6 bis kurz vor Orléans (dort waren wir ja schon mal) und danach ging es übers Land, das als Departement Loiret genannt wird, und im großen Bogen über das südlich davon liegende Departement Cher wieder zurück. Hier im ersten Teil geht es um die ersten 7 Tage, also die Strecke von Nevers nach Agent-sur-Sauldre. Teil 2 findet man hier.

Man erlebt dort ganz viel Landschaft, spannende Bauwerke, nette Leute und gutes Essen! Die Gegend ist mit nur etwa 30-40 Personen pro qkm relativ dünn besiedelt und zudem an vielen Stellen auch von leider weiter anhaltender Landflucht gezeichnet. Für Radfahrer bedeutet es, dass Nebenstraßen in der Regel fast verkehrsfrei sind. Und so ist man nicht auf neu angelegte Radwege, wie den Euro Velo 6, angewiesen.

Weitere Unterschiede bemerkt man schnell: vieles kommt einem in Frankreich so vor, als wäre die Zeit stehen geblieben: in den Straßen-Cafés sitzen schon morgens (überwiegend) Männer und alle rauchen, wirklich alle. Man hat insbesondere über die Mittagszeit viel Zeit und trink dann auch schon mal ein Gläschen Wein, wobei der lokale Wein eher leicht und etwas fruchtig ist, was die Sache zu einem den Tag nicht umschmeißenden Genuss macht.

Auffällig ist auch, dass sich die Infrastruktur in Frankreich über die Jahrhunderte ganz anders entwickelt hat: Während man in Deutschland früher Flüsse kanalisiert hat, hat man in Frankreich viel umweltschonender neben den Flüssen Kanäle gebaut. Dazu benötigte man an Flusskreuzungen lange Schiffsbrückenbauwerke, die zwar heute keine wirtschaftliche Bedeutung mehr haben, aber wunderschön anzusehen sind. Des Weiteren gibt es um die Städte herum auch heute noch nur selten Umgehungsstraßen und so drängeln sich auch die Lastwagen in für uns ungewohnt übler Weise durch die engen Dörfer, zumindest an den Hauptstrecken. Und Windräder sind eine Seltenheit, AKWs (die im Sommer 2022 wegen Kühlwassermangels oft abgeschaltet werden mussten) dagegen leider nicht.

Auch in dieser Gegend gibt es sehr viele sehr schöne Schlösser und natürlich auch Kirchen, wobei letztere leider oftmals geschlossen, aber wenn offen, sehr oft sehr schön sind. Die herausragende Kirche auf der Tour war ganz klar die Kathedrale von Bourges.

Nicht verschwiegen werden soll, dass man in Frankreich – was man ja eigentlich weiß – hervorragend essen kann. Schon das Baguette ist mit dem, was in Deutschland denselben Namen trägt, überhaupt nicht zu vergleichen und viel leckerer! Richtig spannend wird es dann aber beim Abendessen, zu dem es hier wahre Köstlichkeiten zu entdecken gibt. Zum Abendessen geht man in dieser Gegend übrigens nicht vor 19 Uhr und aller spätestens gegen 22 Uhr.

Was noch anders ist, ist das Thema „bezahlen“. In Frankreich hat das Plastikgeld gesiegt. Überall zahlt man, auch Kleinstbeträge, mit der „Carte blue„, also der VISA-Karte. Das geht so weit, dass manche Läden fast kein Wechselgeld mehr haben und schon 100 Euro-Scheine oft nicht mehr akzeptiert werden. Für Urlauber ist das zwar bequem, aber auch teuer, weil die meisten deutschen Visa-Karten Anbieter Extragebühren beim Auslandseinsatz verlangen. (Die angeblich einzige, verbliebene Ausnahme ist die von der DKB).

Nicht vergessen sollte man bei einem solchen Urlaub, dass die Franzosen wirklich sehr freundliche und meistens ziemlich entspannte Menschen sind. Dazu ist es durchaus hilfreich, etwas französisch sprechen zu können. Manche hatten ein bisschen Deutsch auf der Schule, haben das aber in der Regel weitgehend vergessen. Und auch Englisch geht zwar zur Not, aber mehr auch wirklich nicht. Hat man einmal den Draht zu ihm bekommen, macht es richtig Spaß sich mit ihnen zu unterhalten. Man merkt schnell, dass die Franzosen eine andere, deutlich geselliger Kultur haben als wir in Deutschland.

Die mit dem Rad (Pedelec) gefahren Wege hatten wir im Vorfeld mit Bikemap.net geplant: Teil 1 von Nevers nach St. Benoit-sur-Loire und Teil 2 von St. Benoit über Bourges nach Nevers. (Zusätzlich haben wir die Tagestouren von Hotel zu Hotel auch einzeln geplant und auf die Fahrradnavis transferiert).

1. Tag (Sonntag) Von Nevers nach La Charité-sur-Loire

Unsere erste Brücke über die Loire

(Tagestour: Länge 32 km)

Am sonnigen Morgen fuhren wir zunächst durch die nördlichen Randbezirke von Nevers. Das führt durch ärmlichere Stadtviertel mit oftmals leicht verfallen Häusern, die schnell Erinnerungen an den ehemaligen Ostblock aufkommen lassen.
Aber irgendwann haben wir sie dann erreicht: Die wunderschöne, naturbelassene Loire. Dort ging es auf den EuroVelo 6 auf einem durchgängig asphaltierten Weg auf dem Deich weiter in Richtung Norden, also nicht unmittelbar am Fluss, sondern teilweise so weit weg von ihm, dass man ihn gar nicht mehr sehen konnte. Der Weg war trotzdem ganz schön und wir kamen gut voran. Pünktlich zur Mittagszeit erreichten wir bei Jouet sur l’Aubois ein wirklich nettes Lokal, die „Auberge du Poids de Fer“. Die sollte man unbedingt nutzen, denn der leicht verkatert wirkende, barfüssige Wirt serviert eine Köstlichkeit nach der anderen – und danach kommt auf der Strecke auch nicht mehr viel an Alternativen.

Nach der gelungenen Stärkung mit einem köstliche Salat – hätten wir es gewusst, hätten wir lieber das Mittagsmenü nehmen sollen – ging es weiter. Nach wenigen Metern kommt das kleinen Städtchen Marseilles-lès-Aubigny mit seinem gar nicht mal so kleinen Binnenhafen, der zum Loire-Kanal gehört. Man muss dazu scharf links abbiegen und einen kleinen Anstieg an der Schleuse hoch – sonst fährt man einfach daran vorbei. Im Hafenbecken hinter der Schleuse liegen zahlreiche Boote und es gibt auch ein kleines, aber nicht so attraktives Café, das trotzdem gut voll war.

Der Loire-Kanal-Hafen von Marseilles-lès-Aubigny

Wir fuhren schnell weiter. Die Stecke war toll für Rennradfahrer, aber für uns eigentlich zu langweilig. Sie verläuft immer auf dem Deich, der ähnlich wie ein Bahndamm erhöht in der Landschaft liegt und links und rechts im Abstand von je etwa 10 Metern von Bäumen umsäumt ist, sodass man die ganze Zeit wenig Abwechslung hat und im harten Sonnenschein fährt. Nur selten schimmert der Fluss mal durch – wenn, dann aber immer sehr schön. Wir sind stur dem EuroVelo 6 gefolgt.
Tipp: Es könnte aber reizvoller sein, am Kanal auf den alten Treidelpfaden zu fahren, nur wissen wir nicht, ob man da überall durchkommt.

La Charité sur Loire

Und irgendwann lag dann plötzlich zur rechten der Ort La Charité-sur-Loire mit seinen beiden Kirchturmspitzen und der schönen Brücke. Die Brücke hatte einmal elf Bögen, heute sind es nur noch zehn. Auf dem Weg in die Stadt muss man aber erst einmal noch über eine andere Brücke und kommt dann zunächst auf eine Flussinsel, die Ile du Faubourg, die sehr schön ist und auf der wir auch abends noch waren, aber dazu später. Fährt man über die alte Brücke, kommt man direkt in den schönen Ort (4700 Einwohner), in den es nach der Brücke einfach geradeaus geht.

Auf der rechten und linken Seite befinden sich ein paar kleine Bars, beziehungsweise Cafés. Ganz vorn rechts liegt der Salon de Thé Britannique – ein englisches Café. Es hat uns zunächst verwundert, warum es mitten in Frankreich in den kleinen Dörfern überall englische Cafés gibt – aber dazu später mehr. Genau gegenüber, einen kurzen Gang runter, liegt zur linken Hand ein kleiner Weinhandel (Cave du Producteur Domaine Les Chaumes) mit sehr guten, günstigen Angeboten. Dort trifft sich mittags das halbe Dorf. Ein paar Häuser weiter auf der Hauptstraße kann man in dem kleinen Käseladen „Bouchon de Loire“ auch sehr guten Käse und herausragend leckere, dünne, luftgetrocknete Mettwürste (mit Käse oder mit Pfeffer) kaufen. (Update 2023: Der Käseladen scheint für immer geschlossen zu haben. Als Alternative bieten drei Käsehändler auf dem Markt am Samstag ihre Köstlichkeiten an.)

Auf der Hauptstraße fährt man direkt auf die große Kirche zu. Diese war einst sehr viel größer und über 120 m lang – ähnlich wie die Kathedrale in Bourges heute noch. Lange Zeit spielte der Ort nämlich eine bedeutende Rolle im geistigen Leben Europas. Als älteste Tochter Clunys war sie für die Jakobspilger die erste Station nach Vézelay auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Die große Kathedrale ist aber im Jahr 1559 abgebrannt. Von der ursprünglichen Kirche steht heute nur noch der Turm und ein kleines Stück des Eingangsportals, das man immer zuerst sieht, wenn man in die Stadt schaut. Auf der Fläche des ehemaligen, großen Kirchenschiffs liegt heute ein Platz, an dem auch die Touristen-Information zu finden ist. Im hinteren Teil liegt heute die um 1695 wieder aufgebaute, nur noch aus 4 Jochen des Kirchenschiffs und den Pfeilern des Querschiffs bestehende, damit deutlich kleinere, aber immer noch große, romanische und durchaus sehenswerte Kirche Notre-Dame.

Im Ort machten wir noch einen Umweg über die Rue des Hotelleries zu der im Westen gelegenen „Treppe mit 84 Stufen“. Sie ist Pflicht für Pilger auf dem Jakobsweg, die sie seit dem 12. Jahrhundert hinaufsteigen, ansonsten aber nicht wirklich besonders.

Mit den Rädern sind wir stattdessen einen anderen Weg ziemlich steil den Berg hoch, bis wir oben unser Hotel/Restaurant Mille et une Feuilles, erreichten. Die netten Besitzer sind stark an Büchern interessiert, was auch anhand der vielen ausgestellten Bildern von Schriftstellern deutlich wird. Leider ist deren angeblich gutes Restaurant im ganzen Jahr 2022 geschlossen geblieben.

Der Ort ist zwar schön, aber leider auch etwas trostlos, weil viele Häuser verlassen wurden und leicht verfallen. Zudem sind sonntags praktisch fast alle verbliebenen Restaurants zu, sodass wir nur einen Salat in der Bar „COM Chez Nous“ einnehmen konnten – nicht unbedingt zu empfehlen. Wir sind dann noch einmal zum Fluss gegangen und dort zeigte sich, dass es auf der Insel noch eine nettere Pizzeria („Le Saint Pa IV“) gibt, die ebenfalls geöffnet hatte, aber eine Reservierungen erfordert hätte. Nach Hinweisen sind wir dort rechts abgebogen und dann die nächste links. Dort befindet sich, in der Mitte des Chemin de la Saulaie-Wegs auf der linken Seite der etwas versteckt liegende, öffentliche Open Air Club „La Goguette (der möglicherweise zum gegenüber liegenden Camping-Platz gehört), in dem es im Sommer immer mal wieder live-Konzerte gibt. So auch an diesem Abend, der damit sehr entspannt und schön endete.

La Goguette – Sommer-Club auf der Ile du Faubourg bei La Charité

2. Tag (Montag): Von La Charité-sur-Loire nach Cosne-Cours

(Tagestour: 46 km)
Zunächst ging es wieder auf dem Deich in der Nähe der Loire entlang. Dabei war diesmal die Strecke schöner und abwechslungsreicher, entweder durch den näher stehenden Bewuchs oder auch durch Häuser, die man sehen konnte. Bei Pouilly-sur-Loire haben wir einen Abstecher über die stark befahrene, enge Straße über zwei schmale Brücken in den Ort gemacht, der sich schlauchförmig dahinzieht und durch viele Weinhandlungen geprägt ist. Beim Touristenbüro und etwas weiter gibt es jeweils einen Platz mit etwas Ruhe vor dem Verkehr. Schöner ist es aber am Loire-Uferweg. Dort liegt auf der rechten Seite, wenn man über die Brücke auf den Ort zu fährt, ein nettes kleines Café: das „La Mandragore“. Gut für einen Kaffee, vielleicht auch ein Stück Kuchen … und draußen sitzen und den wunderschönen Blick auf den Fluss und die Brücke genießen. Das hat was!

Dann ging es zurück über die schmale Brücke und weiter in Richtung Sancerre. Dass der berühmte Ort auf einem Hügel liegt, merkt man deutlich – es wird anstrengend. Der Anfahrtsweg, der auch über ein etwas stressig zu fahrendes, aber leicht bergab führendes Grobschotter-Stück führt, ist an manchen Stellen sogar sehr steil. Auch dieser berühmte Wein-Ort ist von Weinhandlungen und zusätzlich vielen Touristen geprägt – und dementsprechend teuer. Unter anderem auf dem zentralen Marktplatz gibt es mehrere Restaurants. Bei der Planung des Mittagessens sollte man (nicht nur hier) aufpassen, dass die besseren um 14:00 Uhr zunächst schließen.
Am Ende des Ortes liegt übrigens ein kleiner Park, der „Esplanade Porte Cesar“, von dem aus man eine tolle Aussicht über die weite Landschaft hat!

Am Porte Cesar in Sancere

Danach ging es wieder runter, immer schön bergab bis an den Fluss.

Der dann folgende Weg ist geprägt durch die Fahrt neben dem Loire-Kanal. Hier fährt man viel näher am Wasser als am Fluss selbst. Das ist dann auch viel schöner! Nach einiger Zeit sieht man den Ort Cosne-Cours in der Ferne. Direkt vor der Brücke liegt noch ein Boule-Platz, von dem aus sich schöne Fotos machen lassen. Der Ort selbst ist nicht so mittelalterlich verwunschen, sondern zeichnet sich eher durch eine lebhafte Einkaufs- und Shopping-Umgebung aus.

Montags haben auch hier die meisten Restaurants geschlossen. Es gibt aber ein schönes und das liegt direkt am Fluss. Es befindet sich in der 2001 gebauten Veranstaltungshalle und heißt einfach „M“ – und das steht nicht für McDonald’s. Dort gibt es für relativ wenig Geld ein leckeres, französisches Menü und lokalen Wein, auch in halben Flaschen.

Abends an der Loire bei Cosne-Cours

3. Tag (Dienstag): von Cosne-Cours nach Gien

Am Relais de Mantelot

(Tagestour: 54 km)
Am dritten Tag hat uns zum ersten und (fast) einzigen Mal auf dieser Tour der Regen so richtig erwischt. Dadurch war die Fahrt in der Nähe der Loire natürlich nicht ganz so toll. Wobei wir diesmal wieder eher am Loire-Kanal unterwegs waren, an dem es es eben auch viel schöner ist. Nach längerer Fahrt kamen wir eigentlich zum Mittagessen kurz vor Châtillon-sur-Loire an das sehr schön und idyllisch in einem alten Schleusenhaus gelegene und angeblich recht gute Restaurant „Le Relais de Mantelot“. Das hat nur leider dienstags geschlossen …

St.Etienne in Briare

Nach einer Pause unter den Regenschirmen des Restaurants, aber ohne Service – es zeigt sich doch immer wieder, wie wichtig es ist ein bisschen Baguette, etwas Butter und ein wenig Auflage (z.B. Käse) mitzuführen – sind wir dann weiter nach Briare gefahren. Dort, direkt in der Ortsmitte, steht die sehr schöne, byzantinisch-romanische Kirche Saint-Etienne, die einige Höhepunkte bietet, wie zum Beispiel das Eingangsportal, das vier Medaillons aufweist, die für für die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer stehen. Im Hauptgang sind die vier Lebensalter in Form der vier Jahreszeiten dargestellt. Und auch die Murano-Fenster zeigen Symbolik: die drei theologischen Kardinaltugenden Glaube (weißes Kreuz), Liebe (Pelikan) und Hoffnung (brennende Lampe). Nach einiger Zeit in der Kirche hatten wir eigentlich die Hoffnung, dass der Regen aufhören würde. Dem war aber leider nicht so.

Die Kanalbrücke von Briare

Deshalb ging es dann auch im Regen weiter zur grandiosen und absolut sehenswerten Kanalbrücke von Briare, die auf Platz 4 der wichtigsten Monumente von ganz Frankreich steht! Kein Wunder, ist sie doch mit ihren Bronze-farcierten Obelisken und elektrischen Lampen ein wirklich schönes Beispiel für Bauwerke aus der Belle-Epoque-Zeit, wie man sie allerdings eher in Paris als hier auf dem Lande erwarten würde.

An der Konstruktion hatte auch Gustave Eiffel mitgearbeitet, aber interessanterweise nicht an der Stahlkonstruktion, sondern am Unterbau. Die 662,69 m lange, auf 14 Steinpilastern stehende und 6 m breite Kanalbrücke wurde 1890-96 gebaut um die Loire zu überspannen. Somit konnten Lastkähne vom Canal du Berry und dem alten Loire-Seitenkanal (1838 eröffnet) direkt in den Kanal von Briare (1642 unter Sully gebaut) fahren. Sie verbindet so die Flussbecken der Saône und der Seine miteinander. Heute wird sie nur noch von Freizeitbooten genutzt. Sie galt bis 2003 übrigens als die längste Eisenbrücke weltweit. Für ihre 42.000 qm Oberfläche werden für jeden Anstrich 15 Tonnen Farbe benötigt – mehr als für den Eiffelturm.

Direkt am Kanal wollten wir eigentlich in das dort liegende Café „Chocolats et Chimères“ gehen, nur leider wollte man uns nicht gestatten die Räder im Trockenen unterzustellen. Schlechter Service – dann eben nicht.

Gien

Das auf dem Weg liegende, vielleicht schöne Schloss von Saint-Brisson hat leider auch dienstags geschlossen, sodass wir bis Gien durchgefahren sind. Triefend nass sind wir dort in eine Bäckerei am Flussufer gegangen und haben uns einen köstlichen Tarte Citron geholt. Von da aus ging es direkt in die sehr schöne Unterkunft: zu Hause bei Architekten und Künstlern, anders kann man es nicht sagen. Leider hatte eines der Räder unmittelbar vor der Ankunft einen Platten, der uns dann mehrere Stunden beschäftigte, da es nicht so sehr viele Fahrradgeschäfte in der Gegend gibt.

Im „Le Regency“ in Gien

Abends sind wir zu Fuß wieder zum Fluss hinunter gelaufen und haben bei einem tollen Sonnenuntergang in dem Restaurant „Le Regency“ (Tel.: +33238058408) draußen direkt am Ufer sehr, sehr gut gegessen: Vorweg gab es Hummer in feiner Soße mit Polenta oder eine Terrine aus Tomaten, Basilikum und weißer Creme mit Teig. Hauptspeisen waren einerseits Ente und andererseits Fisch mit Kartoffelpuffer. Und zum Abschluss gab es noch hausgemachtes Sorbet: „Wie Gott in Frankreich …“ – eine nette Entschädigung für den Stress mit dem durch einen spitzen Stein verursachten Platten.

Der hatte einen einen halben Zentimeter großen Riss in den Mantel gemacht. Ich habe, da es einen passenden Mantel nicht gab, nur den Schlauch wechseln können und bin den Rest der Tour damit weiter gefahren – zunächst etwas unruhig, aber später dann doch immer relaxter. Immerhin lagen noch über 400 km vor uns … Es hat funktioniert.

4. Tag (Mittwoch): von Gien nach St. Benoît sur Loire

(Tagestour: 40 km)

Um eventuell doch noch einen neuen Mantel für das Hinterrad zu bekommen, sind wir an diesem Morgen zügig nach Sully-sur-Loire gedüst. Dort liegt, kurz hinter der Brücke, ein kleines Fahrradmuseum, dass die Entwicklungshistorie des Fahrrads anhand der Geschichte der früher dort einmal hergestellten Marke Helyett sehr schön aufzeigt. Bei Fahrrad-Problemen können sie einem jedoch nicht helfen und auch das wenige Kilometer entfernte Fachgeschäft hatte leider gerade Sommerferien. Deshalb habe wir die Suche nach einem Radmantel dann endgültig abgebrochen und sind stattdessen dort in ein stark frequentiertes Restaurant direkt vor der Brücke gegenüber dem Schloss ganz nett Essen gegangen.

Das Chateau de Sully-sur-Loire gilt vom Oberlauf kommend als das erste der großen Loire-Schlösser (Besichtigung: 11 Euro). Die Festung schützt seit dem Ende des X. Jahrhunderts den Hafen am Zusammenfluss von Loire und Sange. Jeanne d’Arc nahm hier 1429, nachdem sie Orleans befreit hatte, Karl VII. das Versprechen ab sich in Reims krönen zu lassen. Es wurde 1602 vom Herzog von Sully erworben und von einer mittelalterlichen Festung zu einem Bauwerk der Renaissance umgebaut. Im 18. Jahrhundert fand Voltaire, verbannt aus Paris, im Schloss Zuflucht und inszenierte Stücke im Ehrensaal im ersten Stock des Donjon. Er soll dort einst auch gesagt haben: “Der Überfluss ist eine sehr wichtige Sache …“, wie Martin Walser es in einem Roman beschrieb …Maximilian de Betune, Finanzminister Heinrich IV., hatte den großen Saal zu Beginn des 17. Jahrhunderts luxuriös ausstatten und die Grisaillien in die Fensternischen malen lassen, die seine Vorfahren darstellen. Durch mehrere Wehrgänge gelangt man in den obersten Raum des Donjon und blickt hinauf auf den 15 m hohen, eichenen Dachstuhl vom Ende des 14. Jahrhunderts, der zu den schönsten Zeugnissen mittelalterliche Handwerkskunst in Frankreich zählt. Nach über 400 Jahren im Familienbesitz wurde das Schloss von der letzten, völlig verarmten Erbin der Familie 1962 an den französischen Staat verkauft. Es ist tatsächlich ziemlich groß und auch ganz schön, kann aber, touristisch gesehen, mit den Schlösser hinter Orléans doch nicht ganz mithalten. Bemerkenswert ist auf jeden Fall die Dachkonstruktion, deren Balken zu etwa 60 % noch aus dem 16. Jahrhundert stammen.

Danach ging unsere Tour weiter nach St. Benoît sur Loire. Dort lebt auch heute noch eine Benediktiner-Bruderschaft, die um 640 gegründet wurde und nach wie vor mit 40 Brüdern aktiv ist. Wir haben in deren sehr großer Abteikirche, die als eine der schönsten romanischen Kirchen überhaupt gilt, weit weg von den Brüdern hinten sitzend einen Gottesdienst mit angehört, der uns allerdings sehr ritualisiert erschien. In der Krypta aus dem 11. Jahrhundert liegen die Gebeine des Heiligen Benedikt, direkt unter dem Chor. Der Vorhallen-Turm gilt mit seinen im Prinzip 12 Toren als Abbild des Himmels. Besonders ist auch die Figur des „Nacktbeters“ an einer der Säulen auf der linken Seite. Sie gilt als Darstellung einer von oben bis unten sündigen Person.

Gegenüber der Kirche gibt es ein nettes kleines Café, das bis zum frühen Abend geöffnet hat und zu dem Hotel gehört, wobei das alte Hotel neben dem Café nur noch den Namen gibt, selbst aber geschlossen ist. Die Unterkunft liegt dahinter in einem wenig komfortablen Gästehaus des Gemeindezentrums. Das einzige Restaurant im Dorf hatte natürlich auch noch Sommerferien. Gleiches galt für beide Bäcker im Dorf – alle hatten geschlossen. Zum Glück gab es aber noch einen Metzger und einen Lebensmittelladen, sodass wir uns Früchte, Brot und einige Auflagen besorgen konnten. Damit haben wir uns im Garten des Gästehauses ein nettes Abendessen bereitet. Danach sind wir noch einmal in das Dorf gegangen, um in der Gaststätte ganz französisch noch einen Pastis zu trinken, doch auch die wurde gegen 20:00 Uhr geschlossen.

5. Tag (Donnerstag) von St. Benoit nach La Ferté St. Aubin

(Tagestour: 50km)

Zunächst ging der Weg weiter im Umfeld der Loire, bis wir vom EuroVelo 6 abgewichen sind um nach Germigny des Prés zu fahren. Dort befindet sich eine kleine, aber besondere Kirche. Sie ist von außen so unscheinbar, dass man aufpassen muss, dass man sie bei der Durchfahrt des Ortes nicht übersieht. Dabei ist sie wirklich etwas sehr besonderes und gehört gehört zu den ältesten christlichen Gebäuden Frankreichs. Die Hauptkapelle stammt noch aus der Zeit Karl des Großen, der möglicherweise auch einmal dort war, und ist ein karolingisches Oratorium, das vermutlich am 2. Januar 806 durch Abt Theodulf, der Berater von Karl dem Großen war, geweiht wurde.

Nach dessen Tod geriet die Kirche allerdings schnell in Vergessenheit. Tatsächlich sind hierin die einzigen, in Frankreich noch erhaltenen, karolingischen Mosaiken zu finden. Sie sind erst 1840 in der Kuppel wieder entdeckt worden und bestehen aus 130.000 Teilen.
Der Grundriss in Form eines griechischen Kreuzes und die mit Mosaiken geschmückte Kuppel sind typische Merkmale der karolingische Architektur. Sehr besonders, sehr schön anzusehen. Wir waren nicht die einzigen, die sich für die Kapelle interessierten: Als wir weg fuhren, kam gerade ein großer Reisebus – mit deutschen Touristen …

Dann ging unsere Fahrt schnell weiter. In Anbetracht der Tatsache, dass es keine Restaurants auf dem Weg zu geben schien, haben wir bei einem Intermache Supermarkt halt gemacht und Brot und andere Dinge gekauft. Die Suche nach einem schönen Picknickplatz war fast noch schwieriger und brauchte einige Zeit. Vorbei ging es an mehreren Schlössern, die allerdings alle privat waren und uns somit keine Chance für einen Picknickplatz boten. Aber das Glück hatte uns nicht verlassen, sondern nur etwas warten lassen: Plötzlich kamen wir unerwartet an einen netten, kleinen See, an dem zahlreiche Angler ihr Glück versucht.

Nach dieser schönen Picknick-Pause ging es wieder auf die Räder. In Marcilly-en-Villette haben wir uns bei der Durchfahrt noch kurz die Kirche Saint-Etienne aus dem 13 Jahrhundert angesehen.

Das Schloss von La Ferté St. Aubin

Der nächste Ort, La Ferté St. Aubin, hat dann wieder etwas mehr zu bieten. Denn dort gibt es ein sehr sehenswerte Schloss. Das ist in privater Hand und kann bei entsprechenden Kosten kaum perfekt renoviert sein. Man macht hier aus der (finanziellen) Not eine Tugend und wendet sich mit einem innovativen Konzept an zahlende Touristen: Es werden sehr viele Räume mit mehr oder weniger Originalteilen, beziehungsweise Teilen aus einer vergleichbaren Zeit, erlebbar ausgestellt.

Insbesondere die Küche im Untergeschoss ist absolut sehenswert und lässt das frühere Leben und Treiben in einem solchen Schloss fast lebendig werden. Die kleine Kapelle ist leider baufällig und kann nicht besichtigt werden. Dafür gibt es einen großen Garten, in dem zahlreiche Spiele installiert sind. Das kostet aber extra Eintritt. Schon der normale Eintritt lag 2022 bei 10,30 € pro Person, was ja nicht ganz wenig ist. Trotzdem ist die Besichtigung eine klare Empfehlung.

Innenhof von Les Muids

Dann ging’s weiter durch den Ort und entlang einmal einer stark befahrenen Bundesstraße, der D2020, mit erlaubten Tempo 90, was für uns als Radfahrer nicht sehr sympathisch war. Doch das war die einzige Zufahrt zu dem kleinen Schloss Château les Muids, in dem wir übernachtet haben. Dort gab es auch einen schönen 16 m Pool, in dem wir erst einmal ein erfrischendes Bad genommen haben. Das leckere, aber nicht unbedingt preiswerte Abendessen, hochwertiges Conveniance-Essen, wurde im Innenhof serviert. Ein sehr schöner Tag und Abend.

6. Tag (Freitag): Von La Ferté-St. Aubin nach Agent-sur-Sauldre

Kirche von Brinon-sur-Sauldre

(Tagestour: 48 km)

An diesem Tag sah es immer so aus, als wenn es jede Sekunde anfangen würde zu regnen. Deshalb haben wir versucht einfach Strecke zu machen. Damit haben wir in in Lamotte-Beuvron verpasst im nobel-klassischen Hotel/Restaurant „La Maison Tatin“ die berühmte Tarte Tatin zu genießen. Dort hatten die Schwestern Stéphanie und Caroline um 1890 den berühmten Apfelkuchen, der dort auch heute noch ausschließlich mit lokalen Zutaten und nach deren geheimen Rezept hergestellt wird, erfunden. Ihr legendärer Ofen zum Umgekehrtbacken ist angeblich in der Bar ausgestellt. Leider öffnet der Salon du Thé erst ab 14 Uhr – es war erst 11 Uhr, als wir dort bin der Nähe waren.

Den ganzen Tag über blieb es ziemlich bewölkt, aber trocken. Auf dem Weg kamen wir durch Brinon-sur-Sauldre. Ein kleiner, ganz netter Ort mit einer Kirche, bei der man mal an die Gläubigen gedacht hat: Sollte es regnen, kann man sich im offenen Vorbau unterstellen!

Aber wir sind auch so satt geworden. Passend zum Mittag lag bei Clémont, direkt an der Kreuzung der D923 und der D79, eine kleine LKW-Fahrer-Gaststätte auf dem Weg, das „Au P’tit Bonheur“. Wir beschlossen hinein zu gehen: Eine Stimmung und Szenerie wie im Percy Adlon-Film „Out of Rosenheim“ von 1976 (mit Marianne Rosenbrecht)! Es war sehr französisch, schon fast Klischee-mäßig: Sehr nette, unkomplizierte Leute. Und nur ein Menü: Man konnte sich die Vorspeisen einfach selbst aus einer Reihe von Töpfen auswählen und dann ging es zum Hauptgericht, Omelette mit Pommes, und noch einen Nachtisch, Eis oder Käse. Dazu eine Karaffe mit leichtem Rotwein. Alles zusammen für 15 Euro. Alles wie im Kino.

Das Schloss / Museum von Agent-sur-Sauldre


Es blieb den Nachmittag trocken und wir fuhren weiter nach Agent-sur-Sauldre. Das ist ein kleines, ziemlich verlassenes Städtchen. Das Schloss wird heute als Museum genutzt und ansonsten ist nicht viel los. Außer, dass es in dem Hotel/Restaurant „Le Relais du Cor d’Argent“ ein ganz hervorragendes Essen mit sehr, sehr netten Service, teilweise vom Chefkoch selbst, gibt – vermutlich das beste Preis-Leistungsverhältnis auf der ganzen Tour. Berauschend ist insbesondere auch die große Käseplatte.

Dies ist das Ende vom ersten Teil.

Mindestens genauso spannend geht es aber weiter mit unserer zweiten Woche in den Departments Loiret und Cher und dem Rückweg über Bourges nach Nevers:

Teil 2 dieses Reiseberichts ist hier hier zu finden.

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